DKW-Motorraddienst

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Motorrad-Test: Die großen DKWs: RT 175 bis RT 250/2

Die Bremsen


Als die Auto Union im Winter 1949/50 die Produktion wieder aufnahm, tat man dies notgedrungen in einem Pferdestall und mußte damals handelsübliche Teile kaufen — um überhaupt Motorräder machen zu können — die keineswegs den heute zu stellenden Anforderungen entsprachen. Dies gilt ganz besonders für die in den Anfangsserien verwendeten Bremsen, über die deshalb auch hier keine Worte mehr verloren werden sollen. Wer noch eine DKW aus den ersten Monaten mit ihren unzulänglichen Bremsen hat, kann höchstens auf dem Bastelwege etwas zu erreichen versuchen, es wird aber auf keinen Fall sehr viel sein.

Bild 17: Schnitt durch die alte Bremse mit Antrieb.
Schnitt durch die neue Hinterachse ab RT 175 und RT 250/2. Aufbau grundsätzlich derselbe, nur die Nabe ist völlig neu.
Bild 18: Mit der Schublehre prüft man neu aufgenietete Beläge auf genau zylindrische Form — eine Bremse mit solchen Belägen kann niemals halten, sie braucht viel Nacharbeit.
Die bis Herbst 1953 DKW-eigenen Bremsen geben sehr viel mehr, wenn sie auch nach heutigen Begriffen natürlich nicht mehr das allerletzte und allerwirksamste sind, deswegen hat man ja schließlich auch bei DKW die neuen Leichtmetall-Vollnabenbremsen gemacht. Es hätte nun nicht viel Sinn, hier gelehrte Angaben darüber zu machen, welche Verzögerungen mit den früheren und den neuen Leichtmetall-DKW-Bremsen zu erzielen sein müssen, die wenigsten Leute sind ja in der Lage, das nachzuprüfen. Wirklich wichtig zu wissen ist, daß man mit einer Hinterbremse mit ziemlich leichtem Fußdruck den Hinterreifen auf jeder Art trockener Straße zum Quietschen bringt. Dies sogar so, daß das Hinterrad blockiert und gegebenenfalls sogar seitlich ausbricht. Eine Hinterbremse, mit der man den Hinterreifen mit mäßigem Druck nicht stark pfeifen lassen kann, ist also schlecht und bedarf der Nachschau.

(Bitte keine Angst vor blockierendem Hinterrad. auch bei hoher Fahrt — also aus 60—70 km/h heraus — kann man auf einem blockierten Hinterrad auch ohne besondere Fahrkünste 5—10 m rutschen, ohne daß man zu zaubern braucht. Es ist gut, so etwas auf verkehrsstiller Straße ein bißchen zu üben und sich von einem Freund sagen zu lassen, wann eigentlich das Hinterrad völlig blockiert. Es ist immer gut, mit so etwas Bescheid zu wissen, damit man später nicht mehr überrascht wird.)

Bei Vorderrädern vertritt man heute noch vielfach den Standpunkt, daß die Bremse auf einen ziemlich großen Handkraftbedarf bemessen werden müsse. Man will also verhindern, daß jemand, der im Schreck die Hand zusammenpreßt, damit die Vorderbremse blockiert, so daß ihm also das Vorderrad wegrutscht. Ich bin hier gegenteiliger Auffassung und glaube, daß eine Vorderbremse als ausgesprochene Fingerspitzenbremse ausgelegt werden müsse. Bei einer Bremse, die höchstmögliche Verzögerung schon mit zwei Fingern ergibt, kann ich mich wesentlich dichter und wesentlich sicherer an die Haftgrenze eines Vorderrades herantasten als mit einer Bremse, die sehr große Handkraft verlangt — hartes Zufassen im Schreck halte ich nicht für ein Problem, dazu gehört nicht mehr als höchstens 1—2 Wochen einer gewissen Selbsterziehung.

Infolgedessen braucht also die DKW-Vorderbremse eine relativ große Handkraft, sie ist deswegen nicht schlecht, sondern eben auf diese große Handkraft hin ausgelegt. Als Faustregel möge wieder gelten, daß eine DKW-Vorderbremse dann gut ist, wenn man mit sehr mäßiger Handkraft einen Rillenreifen auf trokkenem Beton oder trockenem Makadam sehr deutlich quietschen lassen kann. Dabei ist natürlich von Blockieren keine Rede, bei immer stärkerem Anziehen der Bremse merkt man lediglich, wie eben der Vorcderreifen zu pfeifen anfängt. Will man einen Reifen mit Blockprofil, erst recht einen mit grobem Stollenprofil zum Quietschen bringen, dann braucht man entweder eine sehr starke Hand oder muß die Bremse in überdurchschnittlichem Zustand sein.

Wenn dieses Heft in Druck erscheint, werden bei DKW in der Neufertigung die Bremsbeläge noch einmal bearbeitet sein, passen also garantiert in die Trommel und tragen auf voller Fläche, so daß man also mit nicht tragenden Belägen keine Sorge mehr hat. Bei älteren Maschinen und speziell dann, wenn eine Bremse neu belegt wurde, darf man sich aber nicht wundern, wenn sie scheinbar nicht zieht. Zunächst einmal kann man von einer neu belegten Bremse überhaupt keine nennenswerte Bremswirkung erwarten, denn die Beläge müssen sich erst einlaufen, was hier regelrecht glattlaufen heißt. Eine Bremse läuft sich um so schneller ein und um so besser ein, je konsequenter und je härter sie benutzt wird. Man geht also eine Weile mit Dampf an jede bekannte Bremsstrecke heran, bremst auch nicht so, wie im normalen Verkehr, sondern wettbewerbsmäßig, also hart, Dadurch werden Bremsen und Beläge aufgeheizt und die Beläge laufen sich am schnellsten ein. Diese Anfangszeit darf höchstens 300-400 km dauern, dann muß die neu belegte Bremse wieder voll ziehen. Tut sie es nicht, dann unbedingt nachschauen, es ist möglich, daß durch die Neubelegung die Backen bzw. Beläge konisch ausgefallen sind. Dann tragen die Beläge natürlich nur auf 3—4 mm Breite und man kann füglich keine vernünftige Bremswirkung mehr erwarten. Beweis dafür ist in der Trommel ein blankgelaufener, ganz schmaler Streifen, wahrend die übrige Bremstrommelfläche mit feinem Belagstaub abwischbar bedeckt ist.

Abhilfe liegt auf der Hand, man sieht ja, wo die Beläge allein getragen haben und man kann diese hohe, bereits polierte Stelle mit einer groben Feile abfeilen. Von jetzt ab braucht die Sache Geduld, denn die geteilten Beläge werden noch einmal 3—500 km gefahren und wenn sich dabei keine sehr merkliche Verbesserung der Bremswirkung einstellt, kontrolliert man noch einmal und wird dann auch sehen, um wieviel breiter die tragende Fläche jetzt geworden ist. Ein Bremsbelag ist dann richtig und gut eingelaufen, wenn er rundherum spiegelblank ist und von der ursprünglichen Textur kaum mehr etwas erkennen läßt. Wenn eine Bremse schlecht zieht, aber tadellos blanke Belage hat, soll man nicht auf die Idee verfallen, diese Beläge nun rauh feilen zu wollen — die Bremse würde dann nur noch schlechter ziehen. Der Fehler liegt dann vielmehr woanders, man hat entweder ungeeignete Beläge erwischt oder die Beläge sind gründlich verölt.

Bild 21: Das ist der berühmte Filzring der alten Bremsankerplatten bis einschließlich RT 250/1, Viergang, der bei Schmierung mit normalem Fett öfter erneuert werden muß. Heute ist diese Dichtung wesentlich verbessert.
Bild 22: Typische Bremshebelstellung bei nicht mehr ganz neuen Belägen. Der Zug ist mit voller Kraft angezogen, der Winkel zwischen Bremshebel und Drahtzug ist zu stumpf, gibt Kraftverlust. Bremshebel mittels der Feinverzahnung auf der Nockenwelle nachstellen!
Bild 24: Die neue Leichtmetall-Bremsnabe der RT 175 und RT 250/2.
Bild 25: Die zugehörige Bremsankerplatte paßt mit ihrem Widerlager leider nicht ohne weiteres zu den Gabeln der alten RTs. Das Widerlager des Drahtzuges hat zwei Einfädelmöglichkeiten verschiedener Höhe zum Nachstellen. Nachstellschraube jetzt oben am Handhebel.
Gerade die modernen, sehr hochwertigen Beläge, die sowohl hohe Bremswerte wie fast völlige Temperaturunempfindlichkeit bei Dauerbremsung ergeben, sind auch sehr abnutzungsbeständig. Eine damit neu belegte Bremse braucht also auch entsprechend lange Zeit zum Einlaufen, bis sie also volle Wirkung zeigt, ebenso ist auch Geduld beim geschilderten Einfeilen erforderlich. Ein leichtes Verölen ist nach sehr hartem, wettbewerbsmäßigem Fahren oder nach schnellen Paßabfahrten schon möglich, es kann nämlich sein, daß aus der hochgeheizten Fettfüllung der Radlager etwas Öl ausgeblutet ist und auf die Beläge gelangte. Man sieht ja sofort, ob der Nabenteil des Trommelinneren Ölspuren zeigt. Wie ich bisher festgestellt habe, genügt in solchem Falle wider jedes Erwarten ein Trockenwischen der Trommel, nach 3—400 km scharfen Bremsens haben sich auch die Bremsbeläge vom Öl wieder erholt und greifen wieder. Dabei gibt es einen Kniff: Auf der Radnabe sitzt nach Bild 21 ein Filzring, der eben ausblutendes Öl von der Bremstrommel fernhält. Gelegentlich tut er dies ersichtlich nicht, und wenn er es einmal nicht getan hat, dann ist naturgemäß ein neuer Filzring — im übrigen ein Pfennigartikel — fällig. Hat man überhaupt eine Ferienfahrt in die Berge vor. dann ist es vollends kein Problem, von vornherein der Nabe einen neuen Filzring zu stiften, er hält dann gut und gern 1—2 000 km scharfer, wettbewerbsmäßiger Jagerei aus, bis er anfängt, Öl durchzulassen.

Bei älteren Maschinen, auch wenn die Backen neu belegt worden sind, kann der Bremshebel eine ungünstige Stellung zum Zug haben. Er ist mit Feinverzahnung auf der Bremsnockenwelle aufgesetzt und kann deshalb bequem in eine passende Stellung gebracht werden: Wenn die Bremse voll angezogen ist, sollen nach Bild 22 Bremshebel und Bremszug einen rechten Winkel bilden.

Von ganz erstaunlichem Einfluß ist dagegen die Führung des Drahtzugs zur Vorderbremse. Es gilt zwar als Regel, bei Drahtzügen jeden überflüssigen Bogen und insbesondere etwaige S-Bögen zu vermeiden, wir haben aber hier wochenlang erfolglos an einer scheinbar miserablen Bremse herumlaboriert, bis wir auf des Rätsels Lösung kamen: Ein ursprünglich breiter Gespannlenker wurde gegen den serienmäßigen schmalen Sololenker ausgewechselt. Der zum schmalen Lenker gehörige Bremszug wäre ganze 4 cm kürzer gewesen als der vorhandene Bremszug und wurde infolgedessen nicht ausgewechselt, denn schließlich machen ja doch 4 cm Zuglänge nichts aus! War aber ein typischer Fall von Denkste und lediglich aus ratloser Verzweiflung, weil keines der geläufigen Mittel zur Bremsverbesserung mehr funktionierte, wechselten wir an sich ohne jede Hoffnung auf Erfolg, nur eben um nichts versäumt zu haben, den 4 cm zu langen Zug gegen den vorgeschriebenen Zug aus — siehe da, von der gleichen Minute an zog die Bremse! Daß der jetzt vorhandene S-Bogen geringer ist, als dies früher der Fall war, ist mit bloßem Auge kaum festzustellen, die Wirkung ist aber verblüffend.

(Ähnliches gilt beispielsweise auch für den Kupplungszug, der vom Werk in seiner Länge nicht etwa aus Ersparnisgründen, sondern nur der Kraftübertragung wegen auf 10 mm genau festgelegt ist. Wer da also bei irgendeiner Gelegenheit die Hülle auswechselt, achte auf eine genau passende Länge der Hülle, und wer Verdruß mit einem schwergängigen Kupplungszug hat, der braucht eigentlich nur seinen Kupplungszug stückweise und systematisch so zu verkürzen, daß jede überflüssige Biegung herauskommt — dann wird er schon weniger Betätigungskraft brauchen!) Auch die DKW-Drahtzüge haben einer freundlichen alten Gewohnheit zufolge Schmiernippel für Fettschmierung. Fettschmierung ist gut, wenn man sich laufend darum kümmert und also auch fortwährend frisches Fett vorhanden ist. Altes, verharztes Fett kann einen Zug völlig unbrauchbar machen, im übrigen bin ich auch noch der Meinung, daß ein mit Öl geschmierter Zug immer noch ganz bedeutend besser laufe als ein auch mit denkbar bestem Fett geschmierter Zug. Ich bin nun einmal für Ölschmierung, dazu gibt es heutzutage bei den Werkstätten und den Tankstellen alle möglichen Ölschmierpressen, ich selbst habe für meine privaten Zwecke den überaus anspruchslosen Magura-Ölfix.

Bei den neuen Vollnabenbremsen hat man auf die Anbringung einer Stellschraube an der Nabe verzichtet, die ja auch früher immer ein bißchen unhandlich versteckt saß. Man hat heute die Zugverstellung genau wie bei der Kupplung an den Handhebel hinauf verlegt, und weil in dieser Verstellung weniger Weg drin ist als in der alten Verstellung an der Nabe unten, hat jetzt das Widerlager an der Bremsankerplatte zwei Einhängemöglichkeiten für den Zug, eine tiefere und eine höhere, siehe Bild 25. Bislang war es üblich, bei Motorrädern Vorder- und Hinterbremse gleich groß zu machen. Bei den neuen Leichtmetallbremsen der DKWs ist man davon abgegangen, man hat allerdings für die Hinterbremse noch die früheren 150 mm Naben beibehalten, die Vorderbremsen haben nunmehr 180 mm Durchmesser. In der Tat kommt man am Hinterrad mit einer kleinen Bremse aus, da man die an einem Hinterrad überhaupt nur möglichen 4,5 m/sec² Verzögerung auch mit einer kleineren Bremse ohne weiteres schafft. Einer Vorderbremse kann man bis zu 6—7 m/sec² Verzögerung aufladen und dabei erweist sich dann der große Bremsendurchmesser als kostbar.

Ganz zum Schluß noch ein paar Tips von den DKW-Wettbewerbsleuten: Denen gefiel ja das Ausbluten des Lagerfettes bei wettbewerbsmäßiger Fahrerei schon lange nicht und man hat sich infolgedessen nach einer Abhilfe umgesehen. Man hat entdeckt, daß es bei der Firma Theodor Klüber, München 25, Gelsenhausener Str. 7, Spezialfette gibt, und zwar kommt für die Nabenschmierung in Frage die Sorte Univiston RB mittel, die auch bei sechstagemäßiger Gebirgsbeanspruchung nicht ausschmilzt und nicht ausblutet. Für die Schmierung der Welle des Bremsnockens und für das leichte Einfetten des Bremsnockens selbst beziehungsweise des Kopfes der Bremsbacke kommt die Sorte Univiston ZB 9l GG in Frage. Dieses Fett wird an diesen Stellen auch nur in Spuren gebraucht, genau wie bei der Nabe für jedes Lager nur ein ganz kleiner Finger voll Fett genügt. Dabei hält eine solche Schmierung bei normaler Beanspruchung mindestens ein Jahr und ebenso mindestens 20 000 km vor, man braucht also in dieser Zeit nicht nachzuschmieren.

An sich sind diese Fette als Spezialerzeugnisse ziemlich teuer, das kleinst erhältliche Gebinde ist eine Tube von 500 g. Wegen des hohen Preises wird man auch bei Werkstätten und überhaupt im Fahrzeughandel vergeblich danach fragen, die Leute verwenden lieber das billige Allerweltsschmierfett rot oder blau oder grün, um 3 Mark die Büchse, und fallen um, wenn sie für eine Büchse Sonderfett irgend etwas zwischen 15 und 20 Mark bezahlen sollen, in Wirklichkeit fährt man natürlich mit den teueren Sonderfetten doch billiger, weil man sehr viel weniger davon braucht und weil man außerdem keinerlei Schererei damit hat.

aus: Der Motortest - Die großen DKWs: RT 175 bis RT 250/2, 1. Auflage 1954



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